Wir haben mit einem unserer erfahrensten Bauexperten, dem Dipl. Baumeister Hans Peter Zysset zum Thema Baubewilligung gesprochen. Hier seine Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Themenkreis:
Herr Zysset: «Sie benötigen ein Baugesuch bei sichtbaren Änderungen am Aussehen der bestehenden Baute oder bei Nutzungsänderungen, die Einfluss auf die Anschlussgebühren haben. Eine blosse Pinselrenovation ist in der Regel ohne Baubewilligung machbar, es sei denn, das Objekt befindet sich in einer Kernzone oder im Bereich eines geschützten Ortsbildes. So ganz klar ist es eben manchmal auch nicht reguliert. Fragen Sie lieber einmal zu viel. Das Bauamt Ihrer Wohngemeinde ist gerne und kompetent bei allen Fragen rund um das Baugesuch behilflich. Falls ein Baugesuch mit erklärenden Planunterlagen notwendig ist, kommt man in vielen Fällen nicht um den Beizug einer Fachperson herum. Auch wenn das etwas kostet – Fehler sind oft teurer und kosten Zeit und Nerven.»
Herr Zysset: «Es gibt verschiedene Arten von Baugesuchen, je nach Bauvorhaben und Kanton. Für kleinere Bauvorhaben sehen viele Kantone ein vereinfachtes Verfahren vor. Hierbei entfallen in der Regel die Aussteckung (Bauvisiere) und die öffentliche Auflage. Den unmittelbar angrenzenden Nachbarn wird das geplante Bauvorhaben direkt durch eine schriftliche Anzeige der Baubehörde bekannt gemacht und auf die Einsprachemöglichkeit hingewiesen. Einige Kantone fördern Photovoltaik-Vorhaben durch den Wegfall bürokratischer Hürden. Eine einfache Bauanzeige an die Baubehörden genügt in solchen Fällen. Dies gilt, je nach Kanton auch für Wärmepumpen (Achtung auf Lärmimissionen und die notwendigen Abstände!), Fernwärmeanschlüsse und E-Ladestationen.»
Herr Zysset: «Je nach Kanton ist eine Baubewilligung zwei oder drei Jahre gültig. Danach erlischt sie und es müsste ein neues Baugesuch gestellt werden. Beim nachmaligen Baugesuch gelten die dann rechtsgültigen Normen und Vorschriften.»
Herr Zysset: «Bauen ohne Baubewilligung ist nicht ratsam und kann verschiedene Folgen nach sich ziehen:
Bewilligungspflichtige Baumassnahmen, die ohne Baubewilligung errichtet werden, sind rechtswidrig. Das betrifft übrigens auch solche Bauten, die nicht vollständig der erteilten Baubewilligung entsprechen (Überschreitung der Baubewilligung).»
Herr Zysset: «Wenn die Baubehörde davon erfährt, dass eine Baute ohne Baubewilligung errichtet wurde oder wird, obwohl eine solche Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, prüft die Baubehörde zunächst summarisch, ob eine nachträgliche Baubewilligung überhaupt möglich ist. Summarische Prüfung heisst, dass die Bewilligungsmöglichkeit ohne umfangreiche Beweiserhebung geprüft wird.»
Herr Zysset: «Sollte diese Vorprüfung ergeben, dass die Baute die einschlägigen Normen nicht offensichtlich verletzt, hat die Baubehörde den Bauherren aufzufordern, nachträglich ein Baugesuch einzureichen.»
Herr Zysset: «Ergibt die summarische Prüfung, dass die Baute offensichtlich sachlich rechtswidrig ist, muss kein nachträgliches Baubewilligungsverfahren eingeleitet werden, denn in diesem Fall ist die Baute ohnehin nicht baubewilligungsfähig. Bevor jedoch eine Verfügung aufgrund des rechtswidrigen Zustandes erlassen wird, muss dem Bürger rechtliches Gehör gewährt werden, indem er in einem Schreiben über das beabsichtigte Vorgehen und die Gründe dafür von der Baubehörde informiert wird, und die Möglichkeit zur Stellungnahme erhält.»
Herr Zysset: «Bei der Frage, ob die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verfügt wird, muss die Baubehörde die Verhältnismässigkeit der Wiederherstellung prüfen und ob diese im öffentlichen Interesse sei, wobei die verschiedenen Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Sollte ein Bauherr schon im Wissen darum Bauteile errichtet haben, dass eigentlich eine Baubewilligung erforderlich gewesen wäre, kommt den Interessen eines solch bösgläubigen Bauherren bei der Abwägung in der Regel kein grosses Gewicht mehr zu.»
Herr Zysset: «Eine Beseitigungsverfügung wird erlassen, wenn das Bauvorhaben nicht bewilligungsfähig ist. Ausserdem wird die Baubehörde darüber entscheiden, ob der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werden muss oder zum Beispiel nur die Nutzung der rechtswidrigen Baute verunmöglicht werden muss.»
Herr Zysset: «Kommt der Bauherr der Beseitigung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, wird eine Ersatzvornahme durch die Baubehörde angeordnet. Die muss allerdings zuvor angedroht werden. Die Behörde kann dann den rechtmässigen Zustand selbst wiederherstellen oder die Wiederherstellung durch Dritte vornehmen lassen. Auf jeden Fall werden dem verantwortlichen Bauherrn die Kosten für die Ersatzvornahme in Rechnung gestellt.»
Herr Zysset: «Die Verjährung der Bestrafungsmöglichkeit beim Bauen ohne Baubewilligung etwa tritt gemäss Planungs- und Baugesetz nach drei Jahren ein. Das heisst, dass keine Strafverfolgung mehr wegen des Bauens ohne Baubewilligung erfolgen kann, wenn die dreijährige Verjährungsfrist um ist, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Bestrafung (Haft oder Busse) eigentlich vorliegen würden.»
Herr Zysset: «Nein, der Anspruch der Baubehörde auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verwirkt wesentlich später. Innerhalb der Bauzone beträgt die Verwirkungsfrist gemäss der Praxis des Bundesgerichtes 30 Jahre. Allerdings werden diese Bauten damit nicht rechtmässig, was zur Folge hat, dass sie nur mit Massnahmen unterhalten werden dürfen, die nicht bewilligungspflichtig sind. Sind die 30 Jahre abgelaufen, kann aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich keine Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands verlangt werden, es sei denn, dass die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands im öffentlichen Interesse geboten ist.»
ofri: «Herr Zysset, wir danken herzlich für dieses sehr interessante Gespräch. Wir sind uns sicher, dass die praxisnahen Informationen unseren Kunden sehr weiterhelfen werden.»
In einem weiteren Interview mit unserem Baufachmann Herr Zysset geht es um die Frage, wie man sich gegen ein Baugesuch wehren beziehungsweise wann und wie man Einspruch erheben kann.
100% gratis für Sie
Geprüfte Handwerker & Dienstleister
Mit Nutzerbewertungen